Osteopathie
Vor über 120 Jahren begründete der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still die Osteopathie. Die Schulmedizin entwickelte sich damals sprunghaft weiter, entfernte sich aber durch reine Symptombehandlung immer mehr von der ganzheitlichen Medizin. Die Osteopathie basiert auf der Erkenntnis, dass der menschliche Organismus eine Einheit bildet: Alle Gewebe sind miteinander verbunden. Alle Funktionen werden in ständiger Bewegung aufeinander abgestimmt. Die meisten dieser laufen unbewusst ab: Während wir die Bewegungen an Muskeln, Sehnen und Gelenken meist gezielt ausführen, schlägt das Herz unwillkürlich, die Lungen bewegen sich im Atemrhythmus, Blut fließt in seinen Bahnen und der Darm führt wellenförmige Bewegungen zur Verdauung aus.
Werden die Bewegungen einzelner Körperstrukturen wie Gelenke oder Organe eingeschränkt, dann werden auch andere Funktionen gestört: z.B. wird das Gewebe weniger durchblutet oder der Stoffwechsel wird behindert. Dafür gibt es viele Ursachen: Verrenkung, Verstauchung, Zerrung, Bandscheibenvorfall, Entzündungen, Operationsnarben. Der Organismus ist sehr anpassungsfähig und kann über lange Zeit Störungen ausgleichen. Dabei wird die gestörte Funktion von anderen Körperstrukturen mit übernommen. Dadurch wird das Problem allerdings nicht gelöst, sondern nur auf andere Bereiche übertragen. Irgendwann reagiert der Körper dann mit Blockaden, Beschwerden, Schmerz. Oft liegt die Ursache und Lösung des Problems also nicht da, wo wir Schmerzen haben.
Bei der muskelo-skelettalen Osteopathie wird der ganze Bewegungsapparat mit allen Anhängseln wie Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenken und Knochen behandelt. Geforscht wird bei Schmerzen in einem bestimmten Gelenk dann nicht nur am Ort des Schmerzes, sondern untersucht wird das ganze Umfeld. Mit den Händen fühlt der Osteopath Spannungszustände von Geweben.
Bei der cranio-sacralen Osteopathie wird das komplexe Wirkungsgefüge der Schädelknochen, der Membranen im Schädel und der direkten bindegewebigen Verbindung zum Kreuzbein behandelt. Es wird davon ausgegangen, dass der Schädel kein fixierter, fest verwachsener Knochenballon ist, sondern dass noch bis ins hohe Alter die Knochenplatten im Nahtbereich fein ineinander verschiebbar und beweglich sind. Darüber hinaus hat das Gehirn eine Eigenbewegung, die durch die Tätigkeit der Nervenzellen entsteht und vom Osteopathen erfühlt werden kann.
Außerdem gibt es die viscerale Osteopathie: Dabei werden Organe behandelt, die durch ihre bindegewebigen Verbindungen und Aufhängungen direkten Kontakt zum Skelett und anderen Strukturen haben. Oft verursacht bei Frauen zum Beispiel ein verkürztes Aufhängeband der Gebärmutter am Kreuzbein chronische Rückenschmerzen, die dementsprechend nicht auf herkömmliche Rückenschmerz-Therapien ansprechen. Auch wenn die Aufhängungen des Dickdarms zum Beispiel verwachsen sind, kann das Rückenschmerzen verursachen, die orthopädisch nicht herleitbar sind.
Grenzen der Osteopathie
Die Osteopathie hat da ihre Grenzen, wo die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht ausreichen. Bei schweren und/oder akuten Erkrankungen sollte man immer zu einem Schulmediziner gehen. Die Osteopathie ist auch keine Notfallmedizin, kann also bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall nicht lebensrettend eingreifen. Offene Wunden, Brüche, Verbrennungen und andere Verletzungen müssen auch immer erst von einem Arzt behandelt werden. Ebenso gehören psychische Erkrankungen wie Depressionen nicht in die Hand eines Osteopathen. Bei vielen der hier genannten Beschwerden kann sich aber eine osteopathische Behandlung als Begleittherapie anbieten. So kann sich zum Beispiel der sanfte Hautkontakt bei Depressionen durchaus positiv auswirken